Theologisieren mit Kindern

Jeden Abend betet der vierjährige Ben mit seinem Papa vor dem Schlafengehen. „Der liebe Gott muss aber auch böse sein!“, stellt er eines Tages fest. „Warum denkst du das?“, fragt ihn sein Vater. „Na, weil wir jeden Abend für Opa beten, aber gesund geworden ist er immer noch nicht!“ Einige Monate später ist Bens Opa an seiner Leukämie-Erkrankung gestorben. Ein anderes Mal stellt Ben voller Überzeugung fest: „Der liebe Gott muss vier liebe Götter sein!“ Überrascht fragt sein Vater auch diesmal nach: „Wie kommst du darauf?“ „Geht ja nicht anders, wenn er überall bei uns ist und auf uns aufpasst.“ Ben zählt die Orte auf, wo seine Familie unter der Woche wohnt, wo sie ihr Wochenende meist verbringt und wo beide Großelternpaare leben. Ich bin sicher, dass die beiden noch eine ganze Weile weiter darüber nachgedacht haben, wie sie ihre eigenen Erfahrungen mit Gott in Verbindung bringen können, woran sie glauben oder zweifeln, worauf sie vertrauen und hoffen.
Kinder reflektieren ernsthaft und tiefsinnig über Gott und den Glauben, setzen sich denkend damit auseinander, lassen sich auf theologische Gespräche ein. Diese Erkenntnis hat zur Bewegung der sogenannten „Kindertheologie“ geführt, die sich in der Religionspädagogik seit einigen Jahren etabliert hat. Sie traut Kindern ernstzunehmende theologische Deutungen zu, nicht im Sinne der wissenschaftlichen Theologie, aber als eine Spielart von Laientheologie.
Wer mit Kindern theologische Gespräche führen und sie beim Nachdenken über den Glauben unterstützen möchte, sollte die drei Aspekte, die für Kindertheologie wichtig sind, im Blick haben:
Es gibt die Theologie der Kinder, darunter werden ihre eigenen Gedanken und Vorstellungen verstanden. Daneben gibt es die Theologie für Kinder, darin machen die begleitenden Erwachsenen (Religionspädagog/innen, Erzieher/innen, KiGo-Mitarbeitende...) Kindern Deutungsangebote, geben Impulse und Erklärungen. Und schließlich gibt es die Theologie mit Kindern, bei der Kinder und Erwachsene auf Augenhöhe und in gegenseitigem Respekt miteinander ins Gespräch kommen. Als aufmerksame Beobachtende, stimulierende Gesprächspartner/innen und begleitenden Expert/innen können Erwachsene die theologischen Gespräche unter Kindern in KiTa, Schule und Gemeinde fördern. Bestimmte Gesprächsregeln, Methoden der Gesprächsführung und eine positive, offene Gesprächsatmosphäre ermöglichen das Gelingen theologischer Gespräche mit Kindern. Dies alles will auf Seiten der Mitarbeitenden und Kinder eingeübt sein.
Literatur:
- Petra Freudenberger-Lötz: Theologische Gespräche mit Kindern; Calwer Verlag Stuttgart 2007
- Petra Freudenberger-Lötz: Theologische Gespräche mit Jugendlichen; Calwer Verlag Stuttgart 2012
- Mirjam Zimmermann: Kindertheologie als theologische Kompetenz von Kindern; Neukirchner Verlag 2010
- Friedrich Schweitzer: Kindertheologie und Elementarisierung. Wie religiöses Lernen mit Kindern gelingen kann; Gütersloher Verlagshaus Gütersloh 2011
- Jahrbücher für Kindertheologie; Calwer Verlag Stuttgart
- Angela Kunze-Beiküfner: Kindertheologie im Kindergarten; in: Aufbrüche 1/2005, S. 9-16
- Dirk Schliephake, Katharina Reinhard (Hg.): Theologisieren im Kindergottesdienst; KIMMIK Praxis Green Line 06; Michaeliskloster Hildesheim 2014
- Rainer Oberthür: Die Seele ist eine Sonne. Was Kinder über Gott und die Welt wissen; Kösel Verlag München 4/2006
Pfarrerin Andrea Braner




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